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... Zeichnen auf Papier, dem Publikum lauschend, das dem Künstler in einem Objekt aus Stahl und Papier mit Mikrofonen und Lautsprechern zuschaut, die die Geräusche des Publikums wiedergeben, das dem Geräusch des Bleistifts zuhört, den der Künstler einsetzt zum ...


Papier, Edelstahl, Mikrofone, Körperschallwandler,
12-Kanal-Audio, 2,40m x 8m x 8m
Performance am 5. Oktober 2013, 19h - 3h
Audio-Programmierung IRCAM: Olivier Pasquet
IRCAM – Centre Pompidou
NUIT BLANCHE 2013, VILLE de PARIS, Paris


7min / 7h


Video, 1 min
Jeweils drei Vierkantrohre aus Edelstahl sind in ihrem Mittelpunkt rechtwinklig miteinander verschraubt. Neun dieser Elemente sind ringförmig zusammengestellt und sperren einen kleinen Raum ab. Dessen Grenze wird durch ein geschlossenes Papierband markiert, das zwischen den Metallstangen aufgespannt ist. Das Band ist ein Möbiusband, bei dem die Enden der Papierbahn um 180 Grad verdreht miteinander verbunden sind – die Oberkante mit der Unterkante, die Vorderseite mit der Rückseite. Das heißt, das Papierband hat nur noch eine Kante und nur eine einzige Oberfläche. Paradoxerweise befinde ich mich also immer auf der gleichen Seite des Papiers.

Auf dem Papier verliert sich die Unterscheidung zwischen innen und außen, die in der Ringform weiterhin besteht. Zeichnend bewege ich mich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Rings. An drei Stellen, wo das Papier etwas höher hängt, kann ich den Ring betreten oder verlassen. Die Schwelle ist unscharf, aber sie ist da. Während der Performance bin ich der einzige, der den Innenraum betritt.

Ausgestattet mit zwei Bleistiften bahne ich mir kreuz und quer den Weg durch das Metallgestänge. Auf dem Papier produziere ich mit den Bleistiften in erster Linie Geräusche. Die Zeichnung entwickelt sich fast nebenbei als Aufzeichnung dieser Geräusche. Die Bleistifte streichen, wischen, kratzen, schummern, tippeln und hämmern über das Papier und versetzen es in Schwingung. Das Papier wird zum Resonanzkörper. Zwölf auf dem Papier angebrachte Lautsprecher (Körperschallwandler) nutzen das Papier ebenfalls als Membran. Sie verstärken die Zeichengeräusche und übertragen darüber hinaus die Geräusche, Worte, Laute und – animiert durch den freundlichen Empfang im IRCAM – sogar Gesänge des Publikums der Nuit Blanche.
Auf den Treppenabsätzen im Foyer stehen drei Mikrofone aufnahmebereit zur Verfügung, drei weitere sind direkt an der Ringinstallation angebracht. Die Geräusche der Besucherinnen und Besucher aus dem Foyer werden in Echtzeit eingespielt. Aufnahmen mit hohem Lautstärkepegel werden von einem Sampler automatisch in einen viersekündigen Loop gemixt. Die Schleife wandelt sich kontinuierlich mit jedem neuen Laut, der die vorherige Einspielung an der entsprechenden Stelle im Sample übertönt. Die Geräusche im Saal werden nur durch den Sampler gefiltert wiedergegeben.

Dabei behalten die Bleistifte die Oberhand. Sie setzen sich mit den Geräuschen, Stimmen, den gesampelten Lautfragmenten auseinander, sind ihnen aber nicht wehrlos ausgesetzt: Sobald ich zeichne, minimiert sich die Lautstärke der direkt eingespielten Umgebungsgeräusche, und nur noch die lauten Stimmen dringen zum Sampler durch, der sie in einen Rhythmus setzt und ihnen damit Dauer und Einfluss verleiht. Aber auch deren Macht ist begrenzt. Der Sampler wird gelöscht, wenn ich die beiden Bleistifte aneinander schlage. Dann ist es für einen kurzen Moment ruhig und es ist an den Bleistiften, den Ton und Rhythmus vorzugeben. Aber das Publikum lässt sich nicht einschüchtern, es bleibt nicht stumm. Die Stifte verlieren sich wieder im Trubel, sie hören zu, mischen mit, oder sie lassen sich auf nichts ein, lassen sich treiben oder treiben die anderen, treten ein in einen Dialog, nehmen Kontakt auf, spitzen die Kommunikation zu und brechen sie wieder ab.

Das Zeichnen findet seinen Rhythmus in Einklang und Dissonanz mit dem Publikum. Der Prozess kommt an kein Ende. Er verdichtet sich hier und da, wie sich auf dem Papier die Zeichnung verdichtet.